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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 27.03.2003
Aktenzeichen: 10 UF 253/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 621 e | |
ZPO § 629 a Abs. 2 | |
BGB § 1666 | |
BGB § 1671 Abs. 2 Nr. 2 | |
BGB § 1687 Abs. 1 Satz 2 | |
BGB § 1687 Abs. 1 Satz 3 |
10 UF 253/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss
In der Familiensache
hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Amtsgericht ...
am 27. März 2003
beschlossen:
Tenor:
Das am 21. Oktober 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts Eberswalde wird in seinem Ausspruch über die elterliche Sorge (Ziffer 2 der Urteilsformel) abgeändert.
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder M., geboren am 9.September 1994, A. , geboren am 23.August 1996, sowie N.-A., geboren am 13. November 1998, wird der Antragstellerin allein übertragen.
Der weitergehende Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge wird zurückgewiesen.
Die erstinstanzlichen Kosten bleiben, die zweitinstanzlichen Kosten werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe:
Die gemäß §§ 629 a Abs. 2, 621 e ZPO zulässige Beschwerde ist nur insoweit erfolgreich, als das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die drei gemeinsamen Kinder der Parteien betroffen ist. Dieses kann zum einen nicht, wie durch das teilweise angefochtene Urteil geschehen, beiden Elternteilen entzogen und dem Jugendamt als Pfleger übertragen werden. Zum anderen ist es allein der Mutter zuzusprechen, da sich der Vater dagegen, dass er das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf Grund der angefochtenen Entscheidung ohnehin nicht mehr inne hat, nicht zur Wehr setzt. Der weitergehende Antrag der Antragstellerin, ihr die alleinige elterliche Sorge über diesen Teilbereich hinaus insgesamt zu übertragen, hat hingegen keinen Erfolg. Insoweit bleibt es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge. Zu diesem Ergebnis ist der Senat nach Anhörung der Parteien und der Kinder sowie nach Einholung einer schriftlichen Stellungnahme des Jugendamtes des Landkreises B... gelangt.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht den Eltern nicht zu entziehen. Eine solche Maßnahme ist nur, wie von der Antragstellerin mit der Beschwerde zu Recht ausgeführt, auf der Grundlage von § 1666 BGB möglich. Diese Vorschrift kann nur bei einer Gefährdung des Kindeswohls, die hier nicht vorliegt, herangezogen werden. Insbesondere rechtfertigt der vom Amtsgericht hervorgehobene Umstand, dass der Umgang des Vaters mit den Kindern in der Vergangenheit nicht immer reibungslos funktioniert hat, den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf der Grundlage von § 1666 BGB nicht.
Allerdings mag, wenn ein Elternteil nachhaltig Besuchskontakte des anderen Elternteils zu den Kindern verweigert, insoweit die Einrichtung einer Pflegschaft als milderes Mittel gegenüber dem Entzug des gesamten Aufenthaltsbestimmungsrechts in Betracht kommen (vgl. Rotax, Praxis des Familienrechts, Teil 4, Rz. 213 f.). Von einer Umgangsverweigerung durch die Antragstellerin kann aber nicht ausgegangen werden. Zwar hat die Antragstellerin bei ihrer Anhörung durch den Senat eingeräumt, dass M. seit dem Sommer nicht mehr mit zum Vater geht. Da aber andererseits die Mutter die Kontakte des Vaters zu den beiden gemeinsamen Söhnen gewährleistet und beide Elternteile am 30.9.2002 vor dem Amtsgericht eine Umgangsvereinbarung getroffen haben, kann nicht angenommen werden, die Antragstellerin versuche, den Umgang des Vaters mit M. zu verhindern. Allerdings wird sie in behutsamer Weise auf die Tochter einwirken, damit diese künftig wieder Umgang mit dem Vater pflegt.
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die drei Kinder ist der Antragstellerin auf ihren Antrag hin gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB allein zu übertragen. Dies entspricht dem Wohl der Kinder im Hinblick darauf, dass sie seit der Trennung der Eltern durchgängig bei der Mutter in E. leben und dort die Schule bzw. den Kindergarten besuchen, am besten. Die Absicht eines Wohnsitzwechsels hat die Mutter bei ihrer Anhörung verneint. Im Übrigen greift der Vater die von der Mutter angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts seinerseits nicht an. Dem weitergehenden Antrag der Antragstellerin, ihr die gesamte elterliche Sorge allein zu übertragen, kann nicht entsprochen werden. Die Voraussetzungen dafür liegen nicht vor.
Gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist dem Antrag auf Übertragung der Alleinsorge stattzugeben, soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung auf den antragenden Elternteil dem Kindeswohl am besten entspricht. Mit der Neuregelung der Übertragung der elterlichen Sorge durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 16.12.1997 (BGBl. 1997, Teil I, Seite 2942 ff.) hat der Gesetzgeber zwar kein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinn geschaffen, dass ein Vorrang zu Gunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge besteht und die Alleinsorge eines Elternteils nur in Ausnahmefällen als ultima ratio, als letzte Möglichkeit, in Betracht kommt (BGH, FamRZ 1999, 1646, 1647; KG [17. ZS], FamRZ 2000, 502 f.; KG [16. ZS], FamRZ 2000, 504). Er ist aber davon ausgegangen, dass es für das Wohl der Kinder am besten ist, wenn sich die Eltern auch nach Trennung und/oder Scheidung einvernehmlich um sie kümmern (vgl. BT-Drucksache 13/4899, Seite 63) und sie in dem Gefühl aufwachsen, weiter zwei verlässliche Eltern zu haben, die nicht um sie konkurrieren und sie nicht in Loyalitätskonflikte bringen (KG, FamRZ 2000, 502, 503). Ob dies möglich ist, hängt von der entsprechenden Einsicht der Eltern und ihrer Fähigkeit, sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten, ab. Entscheidend ist also die objektive Kooperationsfähigkeit und die subjektive Kooperationsbereitschaft der Eltern (vgl. KG, FamRZ 2000, 504 unter Hinweis auf zahlreiche Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte; Senat, FamRZ 1998, 1047, 1048; Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 3. Auf., § 1671 BGB, Rz. 36). Eingeschränkte Kommunikation unter den Eltern rechtfertigt noch nicht die Annahme der Einigungsunfähigkeit. Vielmehr können sie, solange ihnen die Konsensfindung, dies ist die Herbeiführung von Übereinstimmung und Gemeinsamkeit, zum Wohle des Kindes zumutbar ist, nicht aus der Verpflichtung dazu entlassen werden (Palandt/Diederichsen, BGB, 61. Aufl., § 1671, Rz. 17 m. w. N.). Ebenso führen erhebliche Streitigkeiten zwischen den Eltern nicht notwendig zur Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Die Einigungsunfähigkeit muss gerade in Bezug auf das Kind vorliegen, d. h. die Eltern dürfen in grundsätzlichen Erziehungsfragen bzw. in allen Angelegenheiten des Kindes von erheblicher Bedeutung zu einer einvernehmlichen Regelung nicht in der Lage sein (Palandt/Diederichsen, a. a. O., § 1671, Rz. 17; KG, FamRZ 2000, 504). Bei der Entscheidung darüber, ob die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben ist, ist auch von Bedeutung, ob in absehbarer Zeit sorgerechtsrelevante Entscheidungen gemeinsam zu treffen sind (vgl. OLG Brandenburg - 3. Senat für Familiensachen -, FamRZ 2002, 567 f.). Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte kommt die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge, mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts, nicht in Betracht.
Das Amtsgericht ist unter Bezugnahme auf das Gutachten der Sachverständigen Bo... vom 19.3.2002 zu dem Ergebnis gelangt, die Parteien seien nicht hinreichend kooperationsfähig und -bereit. Dennoch hat es im Hinblick auf die starken Bindungen der Kinder an den Vater die gemeinsame elterliche Sorge fortbestehen lassen. Ob dies unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze zu Recht geschehen ist, kann dahingestellt bleiben. Denn anders als etwa noch bei Erstattung des Sachverständigengutachtens besteht bei den Eltern nunmehr eine hinreichende Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft. Dies hat die Anhörung der Eltern durch den Senat ergeben.
Bei ihrer Anhörung haben beide Elternteile ihre Standpunkte ruhig und sachlich vertreten. Sie sind jetzt offensichtlich besser als in der Vergangenheit in der Lage, ihre auf der Partnerebene bestehenden Konflikte von den Belangen der Kinder zu trennen. Der Antragsgegner hat angegeben, dass er sich auch, soweit es zu keinen Kontakten mit M. gekommen sei, zurückgenommen habe und Geduld üben wolle. Auch soweit noch Uneinigkeit über die Verteilung des Erlöses aus dem Verkauf des gemeinsamen Hauses und wegen des Unterhalts besteht, sind Auswirkungen auf das Kindeswohl nicht ersichtlich. Vielmehr kann ungeachtet dessen angenommen werden, dass die Parteien, soweit es um Angelegenheiten der Kinder geht, grundsätzlich einigungsfähig sind.
Das Problem des Umgangs von Vater und Kindern haben die Eltern gemeinsam gelöst. In der Umgangsvereinbarung vom 13.9.2002 haben sie vorgesehen, dass die Mutter die Kinder in die Erziehungsberatungsstelle E. bringe und der Vater sie dort abhole. Bei ihrer Anhörung haben die Parteien übereinstimmend angegeben, dass sich die Anwesenheit der Familienhelferin W. von der Beratungsstelle bewährt habe.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin steht der Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht der Umstand entgegen, dass sie sich mit den Kindern in E. aufhält, während der Antragsgegner in A. in Baden-Württemberg lebt. Denn dadurch, dass dem Elternteil, bei dem sich die Kinder gewöhnlich aufhalten, das Recht der Entscheidungsbefugnis in Angelegenheiten des täglichen Lebens zusteht, § 1687 Abs. 1 Satz 2, 3 BGB, wird den Erschwerungen durch eine größere räumliche Entfernung zwischen den Eltern hinreichend Rechnung getragen (OLG Frankfurt, OLGR 2002, 206; OLG Naumburg, FamRZ 2002, 564, 565; OLG Dresden, FamRZ 2000, 501).
Eine Verständigung unter den Eltern hinsichtlich der die Kinder betreffenden Angelegenheiten ist mittels Telefon möglich. Wie die Antragstellerin angegeben hat, ist eine Einigung dahin erfolgt, dass sie, wenn die Belange der Kinder es erfordern, die Großeltern väterlicherseits anruft, die ihren Sohn benachrichtigen. Allein im Hinblick darauf, dass der Antragsgegner, wie er vor dem Senat eingeräumt hat, einmal auf eine solche Nachricht hin nicht zurückgerufen hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine telefonische Kommunikation nicht möglich ist.
Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass in näherer Zukunft Angelegenheiten anstehen, deren Regelung für die Kinder von erheblicher Bedeutung ist. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den Verbleib der Kinder in der Montessori-Schule bzw. im Montessori-Kindergarten. Den Besuch von Montessori-Einrichtungen hat der Antragsgegner, wie beide Elternteile vor dem Senat übereinstimmend angegeben haben, unterstützt. Dass die Kinder dort bleiben sollen, hat er auch jetzt nicht in Zweifel gezogen. Daran ändert der Umstand, dass der Antragsgegner auch den Besuch der Kinder auf einer staatlichen Regelschule für möglich hält, nichts.
Soweit sich die Parteien nicht darauf haben einigen können, wie der Besuch der Montessori-Schule und des Montessori-Kindergartens in E. zukünftig finanziert werden kann, falls die Antragstellerin eine Erwerbstätigkeit aufnimmt und damit Schulgeld fällig wird, handelt es sich nicht um einen Konflikt, der sich auf das Kindeswohl nachhaltig auswirkt. Denn die Antragstellerin hat bei ihrer Anhörung ausgeführt, sie habe wegen der unklaren Situation davon Abstand genommen, eine Stelle als Erzieherin anzunehmen und sie eine Arbeit erst aufnehmen werde, wenn der Schulbesuch geregelt sei.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a ZPO.
Ende der Entscheidung
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